Die Reise nach Killarney

Bilder der Reise kann man hier finden.

Ziel unserer Reise war der Ort Killarney, der am Eingang des gleichnamigen Nationalparks liegt. Ein beliebter Ort für Touristen, die von hier aus entweder die Landschaft des Parks genießen oder den 214 Kilometer langen Rundwanderweg, den Kerry Way, zu Fuß oder mit dem Rad folgen. Der Stadtkern besteht aus zwei kurzen Straßen, der Main Street und der High Street. In den größtenteils farbenfrohen Häusern findet man Geschäfte, die alles verkaufen, was man so braucht und auch Sachen anbieten, die man eher nicht benötigt, sowie zahlreiche Restaurants und Pubs. Auch in den Seitenstraßen gehen die bunten Fassaden und die gleiche Ansammlung an Etablissements weiter. Außerhalb des Stadtzentrums gibt es zahlreiche Hotels und Bed-&-Breakfast-Häuser. An jeder Ecke stehen Jarveys, Pferdekutschen, die einem kreuz und quer durch die Stadt und die nähere Umgebung fahren. Das Nachtleben findet hauptsächlich in den Pubs statt. Wer dort Glück hat, bekommt sein Bier von einer Bardame eingeschenkt, die auf dem Schaum des Guinness ein Kleeblatt zaubert. Der frühe Abend startet oft mit folkloristischen Musikdarbietungen. Das Publikum ist zu der Zeit meist etwas älter. Die Qualität der Künstler unterschiedlich. Es kann schon mal passieren, dass, wenn eine Instrumentalgruppe versucht einen Gesangsbeitrag beizusteuern, einem das Bier im Glas sauer wird. Später am Abend treten Musiker auf, die modernere Musik spielen. Die Besucher des Pub werden jünger, es wird lauter und auch voller.

Am nächsten Tag besuchten wir die Übrigbleibsel der Festung Ross Castle. Die Ruine befindet sich im Killarney Nationalpark. Der Park ist über 100 Quadratmeter groß. Drei große Seen befinden sich im Park: der Lough Leane, Muckross Lake und der Upper Lake. Umgeben sind die Seen von einen der ältesten Eichenwälder Irlands. Als wir vor 16 Jahren schon einmal in Killarney waren, wollten wir ebenfalls Ross Castle besuchen. Doch wir kamen nicht so weit. Wir wurden unterwegs von einem älteren Herrn angesprochen, der uns fragte, ob wir Interesse an einer Bootsfahrt zu Innisfallen Island, eine der Inseln im Lough Leane haben. Spontan sagten wir zu. Ein etwas jüngerer Mann ruderte uns dann zur Insel hinaus. In einen meiner Reiseführer fand ich einen Hinweis auf einem gewissen Paddy O’Connor, ein 60jähriger Mann, der Touristen mit dem Boot auf die See hinausfährt. Wir vermuten, dass er es war, der uns ansprach und gerade seinen Nachfolger einarbeitete. In späteren Reiseführern wurde er nie erwähnt. Deswegen vermuten wir, dass er sich zur Ruhe setzte und sein Nachfolger sich für einen anderen Job entschieden hatte. Der Nachfolger ruderte uns zu Innisfallen Island hinaus. Dort wanderten wir verwachsene Pfade entlang und fanden schließlich die Ruinen einer alten Abtei, Innisfallen Abbey. Wir genossen die Natur und die Einsamkeit auf der Insel. Trotz seiner Ankündigung, als er uns auf der Insel absetzte (Bis morgen!) holte uns der junge Mann drei Stunden später am Anlegesteg wieder ab und ruderte uns zurück ans Festland.

Diesmal kamen wir aber bis zu Ross Castle. Von der Festung ist noch etwas Mauerwerk und ein Turm übrig. Malerisch gelegen am Ufer des Sees. Auf einer Besichtigung des Burginneren verzichteten wir. Hat man mal eine Burg gesehen, dann kennt man alle. Das Innere gleicht sich in der Regel immer. Ausgestellt sind Möbel, Alltagsgegenstände und Gemälde, die sich im Besitze der dort lebenden Familie befanden. Meist sind es immer ähnliche Gegenstände und nicht besonders spektakulär. Was mich an Burgen und Schlössern aber dennoch reizt, sind die dazugehörenden Gartenanlagen. Diese sehe ich mir immer wieder gerne an. Ross Castle allerdings verfügt über keinen Garten, sondern über einen gesamten Nationalpark. Hinter der Burg befindet sich eine Anlegestelle für Schiffe. Von dort aus kann man verschiedene Ziele anfahren. Unter anderem zum Muckross House, einen einst herrschaftlichen Wohnsitz, nun ein Museum, von dem aus man zu den Torc Falls, einen riesigen Wasserfall wandern kann und zu Innisfallen Island. Wir entschieden uns für eine Rundfahrt auf dem See mit einem Wasserbus. Während der Fahrt erzählte der Kapitän etwas über den Nationalpark und Dingen, die man am Ufer sehen könnte, würde man nahe genug heranfahren. Er tat das nicht. Trotzdem war es eine angenehme und unterhaltsame Schifffahrt. Als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, folgten wir einen Waldweg entlang des Ufers des Lough Leanes. Dieser führte uns zu einigen schönen Aussichtspunkten und einen herrlichen Steinstrand. Danach kehrten wir wieder nach Killarney zurück.

An den anderen Tagen unternahmen wir Busrundfahrten in die Umgebung. Die erste Fahrt führte uns in das Gebiet nordwestlich von Killarney auf die Dingle-Halbinsel. Ziel der Fahrt war das Fischerstädtchen Dingle. Eigentlich eine irische Hafenstadt wie so viele andere. Dort hat man den Eindruck die Zeit wäre stehengeblieben. Die Häuserfassaden sehen noch genauso aus wie bei unserem letzten Besuch vor sechszehn Jahren. Auch die Hauptattraktion der Stadt ist noch die gleiche wie damals. Dingle verfügt über einen verhaltensgestörten Delfin. Mitte der 1980er Jahre tauchte in der Bucht plötzlich ein einzelner Delfin auf. Dieser erwies sich bald recht zutraulich und begann mit den Fischern zu interagieren. Dem Delfin gefiel es so gut in den Gewässern um Dingle, dass er beschloss dort zu bleiben. Er erhielt den Namen Fungie und wurde schnell zu einer Touristenattraktion. Es gibt inzwischen Bootsfahrten zu dem Delfin, mit Geld-zurück-Garantie, wenn man Fungie nicht sieht, und es wird sogar „Schwimmen mit Fungie“ angeboten. In Kälteschutzanzügen hoffen Menschen auf eine Audienz bei dem Meeressäuger. Normal ist das Verhalten von Fungie nicht, sind Delfine doch Gruppentiere. So ist es ein schlechtes Zeichen, wenn sich ein Tier von der Gruppe absondert. Besonders geschadet hat es Fungie offensichtlich nicht, ist er inzwischen doch schon recht alt geworden. Obwohl man sich dessen auch nicht ganz sicher sein kann. Böse Zungen behaupten, dass die Tourismus-Industrie bereits einen trainierten Ersatz-Delfin ausgesetzt hat. Denn sollte Fungie einmal in die ewigen Jagdgründe eingehen, wird Dingle plötzlich sehr an seiner Attraktivität für Touristen verlieren. Wir verzichteten diesmal darauf, mit dem Boot Fungie einen Besuch abzustatten, gingen stattdessen etwas essen und wanderten am Hafen entlang, bevor wir mit dem Bus wieder zurückfuhren. Während der Fahrt gab es mehrere Fotostopps, wo es die Möglichkeit gab, die vielfältigen Grüntöne irischer Weiden, herrliche Sandstrände und beeindruckende Klippenlandschaften auf einem Erinnerungsbild zu bannen.

Die zweite Rundfahrt führte uns entlang des Ring of Kerry, eine etwa 180 Kilometer lange Panoramaküstenstraße. Auch diesmal gab es wieder zahlreiche Fotostopps. Doch wurde dort etwas mehr geboten, als bei der vorherigen Busfahrt. Neben der fantastischen Landschaft gab es frühgeschichtliche Bauten, alte irische Hütten und die Vorführung eines Schäfers, wie er seine Schafe durch seine Hütehunde zusammentreiben lässt. Für jeden Hund besitzt er ein kurzes Kommando, mit dem er ihm die Richtung weist, in die er die Herde treiben soll. Beeindruckend war auch das gute Gehör der Hunde. Selbst wenn sie weit entfernt vom Schäfer waren, verstanden sie seine leise ausgesprochenen Befehle. Allerdings hatten wir kein Glück mit dem Wetter. Es war nebelig, sehr windig und es regnete. Am späten Nachmittag hellte sich der Himmel aber noch auf und die Sonne kam hinter den Wolken hervor. So konnten wir zum Abschluss der Fahrt noch einen schönen Blick auf Lough Leane werfen.

Dublin 4 von 4

Seit ich meine Irlandreise plante, träumte ich von einem Ort namens Howth, ein kleines Städtchen, unweit Dublins an der Küste gelegen. Ich träumte davon, die letzten Tage meines Urlaubs dort geruhsam zu verbringen. Da ich eigentlich in Dublin schon alles, was ich sehen wollte, gesehen habe – außer Oscar Wilde, der kein Interesse zeigte, mich zu treffen – beschliesse ich, an meinem letzten Tag in der Stadt einen Ausflug nach Howth zu machen, um schon Mal einen Vorgeschmack auf diesen Ort zu bekommen.

Die DART bringt mich vom Stadtzentrum Dublins in das Küstendorf. Bei der DART (Dublin Area Rapid Transit) handelt es sich um ein S-Bahn-ähnliches Nahverkehrssystem, dass die Vororte Dublins mit der Innenstadt verbindet. Als ich in den Zug einsteige, sind die Waggons überfüllt. Leute, die auf dem Weg zur Arbeit sind. Leute, die von der Arbeit kommen. Leute, die Bekannte besuchen wollen. Als wir die Endhaltestelle Howth erreichen, sind die Waggons des Zuges fast leer. Übrig bleiben einige wenige Leute. Diese sind auch äußerlich leicht erkennbar als Wanderer und Tagesausflügler. Leute, wie ich.

Vom Bahnhof schwärmen wir aus. Ich falle schon bald hinter der Horde der Wanderer zurück. Hatte ich doch versäumt, mir ein Reiseproviant zuzulegen. Das hole ich in einem kleinen Laden nach. Zwei Flaschen Wasser, ein Schokoriegel und zwei in Plastik eingeschweisste belegte Dreieckstoastbrote landen in meinen Rucksack. Natürlich erst, nachdem ich an der Kasse war. In der Zwischenzeit ist die Herde der Ausflügler schon auf der Hauptstraße in Richtung der Klippen unterwegs, um dort einen schönen Spaziergang zu machen. Da wollte ich auch hin, doch lasse ich mir noch etwas Zeit, um den Ort zu erkunden.

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Howth ist eine Stadt östlich von Dublin. Die Einwohnerzahl wird auf zirka 8000 Leute geschätzt. Der Dubliner fährt gerne mal am Wochenende nach Howth. Die Vielzahl an Fischarten an der felsigen Küste macht den Ort auch bei Anglern sehr beliebt. Aber auch Nichtfischfänger profitieren davon. Viele Fischrestaurants laden zum Speisen ein. Kommt allerdings mal eine Sturmflut dazwischen, so wird aus dem Wochenendausflug leicht mal ein verlängertes Wochenende. In der Vergangenheit kam es hin und wieder mal vor, dass die Halbinsel wegen des rauen Seegangs vom Festland abgetrennt war. Vom Hafen aus sieht man Ireland‘s Eye, eine kleine unbewohnte Insel. Boote fahren die Insel an. An Bord sind meist Ornithologen, ist die Insel doch ein Vogelschutzgebiet. Sie bietet hauptsächlich Brutplätze für Trottellumen, Tordalke, Eissturmvögel und Möwen. Auch eine Kormoran-Kolonnie bildete sich hier an und es wurden sogar schon Papageitaucher, die pinguinähnlichen Vögel mit ihren knallorange Schnäbeln, dort gesichtet. Es reizt mich, zur Insel zu fahren, doch wollte ich mir das für meinen späteren Aufenthalt aufsparen. Der wohl berühmteste Einwohner Howths ist der Musiker Barney McKenna, bekannt durch seine Auftritte mit The Chieftains und den Dubliners. Aber ich sollte wohl besser schreiben, dass er der berühmteste Einwohner war. Einige Monate vor meiner Reise verstarb er. Als ich so durch die Straßen schlenderte, fühlte ich mich in Howth wohl. Ich kann mir gut vorstellen, hier einen schönen Abschluss meiner Reise zu erleben.

Nachdem ich den Ort auf mich wirken ließ, folge ich den Spuren der anderen Wanderer. Die Hauptstraße führt mich aus dem Ort hinaus. Ein schmaler Feldweg schlängelt sich durch hohe Grashalme stetig bergauf. Immer näher kommt der Weg den steilen Abgrund, Doch nie so nah, dass man durch eine unüberlegte Bewegung Gefahr liefe hinunterzustürzen. So bleibt dies ein sicherer Wanderweg. Eher ein Spaziergang an einem schönen sonnigen Tag. In der Ferne kann man die Insel erkennen, die Ireland‘s Eye genannt wird. Einige Schiffe sind auf dem Meer unterwegs. Geht der Blick nach unten, sieht man steil in die Tiefe. Felsbrocken ragen aus dem Ozean heraus. Laut tosend treffen Wellen auf das Gestein. An einigen Stellen des Weges wird das Tosen durch das Gekrächze der Vögel übertönt, die auf den Klippen brüten. Auf dem Weg zwänge ich mich an andere Wanderer vorbei. Manche werden überholt, andere kommen entgegen. Manche grüßen, andere nicht. Je nach Alter. Jüngere Leute schweigen, die älteren Wanderer sind freundlicher. In der Ferne sehe ich einen Leuchtturm. Diesen setze ich mir als Ziel. Als ich die Klippen hinter mir habe, beschließe ich, vom Weg abzuweichen und quer über die Wiese zu laufen, um schneller am Leuchtturm zu sein. Hätte ich das nur sein lassen. Plötzlich verliere ich den Boden unter einem Fuß und sinke bis zum Knie in die Erde ein. Ein hinterhältiger Vogel hat mir eine Falle gebaut! Manche Seevögel buddeln Löcher im Boden, um dort ihre Eier geschützt abzulegen. In eines dieser Löcher bin ich getreten. Ohne große Probleme entkomme ich meiner Falle und setze meinen Weg fort, kehre aber von der Wiese wieder auf dem Weg zurück. Bis zum Leuchtturm komme ich trotzdem nicht. Unterwegs verhindert eine Mauer und ein abgesperrtes Tor mein Fortkommen. Bevor ich umdrehe und den gepflasterten Weg landeinwärts folge, lasse ich mich am Wegrand im Grünen nieder, um zu Rasten. Auch von hier aus hat man eine tolle Aussicht auf das Meer und auf die Klippen.

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Eine gepflasterte Straße führt weiter. Doch ebenso wie das Tor eben ein Hindernis war, treffe ich wieder auf etwas, was mein Fortkommen erschwert. In der Ferne sehe ich einen Hund mitten auf der Straße stehen, als würde er den Weg kontrollieren und niemanden an sich vorbei lassen. Große Hunde in einsamen Landstrichen, die so wirken, als müssten sie ein bestimmtes Gebiet bewachen, sind mir immer sehr suspekt. Wenn sie mich anbellen, erschrecke ich. Bellen sie nicht, habe ich Angst, dass sie beissen. Also beschließe ich das direkte Aufeinandertreffen mit dem Vierbeiner zu vermeiden, weiche von der Straße ab und folge einem Feldweg. Dieser geht bogenförmig wieder zurück zu der Straße. Als ich mich auf der Straße umsehe, ist der Hund verschwunden. Wieder geht es hochund steil hinauf, diesmal aber kein Feldweg, sondern eine gepflasterte Straße. Diese bringt mich in einen Nachbarort von Howth. Doch von dort scheint man nur entlang der Autostraße zurück zu kommen. Dafür kann ich mich nicht begeistern und kehre wieder über die Klippen zum Ausgangspunkt meiner Wanderung zurück. Auch auf den Rückweg geniesse ich den atemberaubenden Ausblick. Ich verbringe noch etwas Zeit in Howth. Dann geht es wieder mit dem DART zurück nach Dublin.

Meinen letzten Abend in Irlands Hauptstadt lasse ich etwas ruhiger angehen. Diesmal verschwinde ich nicht im ausschweifenden Nachtleben von Temple Bar, sondern nehme meinen Absacker in einem Pub nördlich der Liffey ein. Außer mir sind nur zwei andere Gäste da: zwei ältere Herren, deren ganze Aufmerksamkeit dem Bier vor ihnen gilt. Nicht mal die Pferderennen, die im Fernseher übertragen werden, können sie von ihrem Getränk ablenken. Ich verfolge diese Pferderennen recht aufmerksam. Vor jeden Rennen wähle ich meinen Favoriten aus. Ich entscheide mich immer für das Pferd, dessen Namen mir am Bestem gefällt und merke schnell, dass ich so nicht reich werde. Als die Rennübertragung beendet ist, trinke ich noch ein Guinness und schwanke dann zu meiner Unterkunft. Zum Glück ist die O‘Connell Street sehr breit und nachts so gut wie leer…

Dublin 3 von 4

Am nächsten Tag bessert sich das Wetter. Deswegen beschließe ich, die Innenstadt Dublins erst einmal zu Fuß zu erkunden, bevor ich mich wieder in den Bus setze. Ich schlendere über die O‘Connell Street, die am frühen Morgen noch sehr leer ist. Während des Tages wird sich das ändern und die Hauptstraße des nördlichen Dublins füllt sich mit Leben und Menschen. So wie ich sie noch von meinem letzten Besuch in Erinnerung hatte. Ich verlasse die Nordstadt und überquere den Fluss Liffey, der beide Stadtteile trennt. Früher musste man mit der Fähre übersetzen, wenn man in den anderen Teil der Stadt wollte. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die erste Brücke über die Liffey gebaut. Sehr zum Leidwesen der Fährleute, deren Existenz nun bedroht war. Damit diese nicht den Hungerstod sterben mussten, wurde ein Zoll für das Überqueren der Brücke verlangt. Dies brachte der Brücke den Beinamen Halfapennybridge ein. Der Zoll verhinderte letztendlich doch nicht, dass die Fährleute ausstarben. Heutzutage kann man die Halfapennybridge, und die zahlreichen anderen Brücken, die ihr folgten und die ebenfalls über die Liffey führen, umsonst überqueren.

Tobte in der Nacht noch der Bär in Temple Bar, so ist dieser Bezirk am Vormittag fast ausgestorben. Bis auf einige wenige herumirrende Touristen, wie ich einer bin, sind die Straßen leer. In den Häusern, aus denen nachts noch fröhliche Klänge ertönten, herrscht eine friedhofsgleiche Stille. Vor den Pubs stehen Männer mit Pinseln. Sie frischen die Farben der Häuserfassaden auf, um die alten Ladys, die nach der anstrengenden Nacht ihren Glanz verloren hatten, für die nächste Nacht, die sicher nicht weniger anstrengend werden wird, wieder aufzupäppeln.

Nach dem Verlassen des ausgestorbenen Temple Bar-Bezirks steuere ich das Trinity College an. Die Universität verfügt nicht nur über ein schönes Gelände, sondern beherbergt auch mit dem Book Of Kells eine der ältesten erhaltenen Handschriften der Welt. Vermutlich ist dieses Buch im 8. Jahrhundert im Kloster Iona in Schottland entstanden und wurde nach Irland gebracht, um es vor den häufigen Wikingerüberfällen zu schützen. Es enthält die vier Evangelien und ist aufwendig mit Tiermotiven und Flechtwerkmustern verziert. Natürlich ist das Buch nicht frei zugänglich. Es befindet sich in einer Glasvitrine. Täglich wird es von einem Bibliotheksmitarbeiter mit Samthandschuhen umgeblättert, damit man jeden Tag eine andere Seite des Buches bestaunen kann. Das reichverzierte Buch ist aber nicht die einzige Sehenswürdigkeit, die man dort findet. Die älteste Harfe Irlands ist hier ausgestellt. Auch der Long Room ist erwähnenswert: ein 65 Meter langer Raum, links und rechts hohe Bücherregale und in diesen werden die ältesten und wertvollsten Bücher aufbewahrt.

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Auf dem Streifzug über das Collegegelände folgt ein Besuch bei den bunten Türen von Dublin. Diese farbenfrohe Portale findet man in den georgianischen Vierteln der Stadt. Der britische Adel lebte auf dem Land, doch die wichtigen politischen Entscheidungen wurden in der Stadt getroffen. Deswegen wurde ein Zweitwohnsitz in der Stadt, im Falle Irlands in Dublin, benötigt. So entstanden die von aussen recht schlichte, mehrstöckige Gebäude. Bis auf einige kleine Details gleichen sie sich alle. Diese kleinen Details befinden sich am Eingangsbereich. In der Regel führt eine kleine Treppe zur Tür, links und rechts mit einem Eisengelände flankiert. Die Tür selber ist farbig lackiert, verfügt über ein Oberlicht und ist mit einem oft kunstvoll herausgearbeiteten Türklopfer versehen. Solche, gar noch prunkvollere Häuser, gab es auch in London. Doch hatte Dublin das „Glück“ gegen 1800 politisch unbedeutend zu werden. Deswegen wurden die Häuser verkauft oder weitervermietet und unterlagen nicht dem Zwang, Opfer von Modernisierungsmassnahmen zu werden. So blieb der typisch georgianische Baustil in der Hauptstadt Irlands erhalten. Als die Irische Republik gegründet wurde, gab es Überlegungen diese Häuser abzureissen, um die Erinnerung an die britische Besatzung auszumerzen. Zum Glück wurde dieser Plan nicht verwirklicht. Dublin wäre um eine Sehenswürdigkeit ärmer.

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Im nahen Archbishop Ryan Park gönne ich mir zur Mittagszeit eine kleine Pause, esse dort einen Schokoriegel und trinke aus einer Dose Cola. Dabei sehe ich einigen Kindern beim Fußballspielen zu. Einer der Jungs trägt ein Bayerntrikot mit der Nummer Sieben. Als die Jungs ihr Spiel beenden, erhebe auch ich mich von meiner Bank und setzte meinen Weg fort. Ich bin nicht ohne Hintergedanken in den Park gegangen. Ich wollte mich mit jemandem dort treffen. Mit einem bedeutenden irischen Schriftsteller. Ich wollte mich dort mit Oscar Wilde treffen. Ihm zu Ehren wurde eine Statue im Park errichtet. Ich durchstreife mehrmals die Grünanlage, doch konnte ich das Denkmal nirgends finden. Später am Tag werde ich mit dem Doppeldeckerbus am Park vorbeifahren. Vom Oberdeck aus sehe ich Oscar Wilde. Mehrmals bin ich an dieser Stelle vorbeigelaufen, ohne ihn zu entdecken. Das erinnerte mich daran, wie mein Bruder und ich auf der Suche nach Molly Malone waren. Doch diese konnte sich nicht so gut vor uns verbergen, wie Oscar Wilde. Er hatte wohl einfach keine Lust dazu, mich zu sehen…

Es ist angenehm mit dem Bus die Rundfahrt zu wiederholen. Ich habe einen guten Platz auf dem offenen Oberdeck, geniesse die Sonne und erhole mich von meinem vormittäglichen Spaziergang. Ich bleibe die ganze Zeit über an Bord. Auch als der Bus seine Runde beendet, verlasse ich ihn nicht, sondern warte den Fahrerwechsel ab und begebe mich auf eine erneute Rundfahrt. Diesmal aber nur bis zum Phoenix Park. Die Grünanlage im Westen der Stadt ist einer der größten Parks auf der Welt. Neben dem Dublin Zoo und zahlreichen Sportanlagen lebt hier ein Rudel Hirsche, die sich frei auf dem Gelände bewegen. An die Parkbesucher haben sich die Tiere gewöhnt und lassen sich kaum von ihnen stören. Man kann ihnen sehr nahe kommen. Als ich mich ihnen nähere, steht gerade ein Mann vor ihnen, der aussieht, wie ein typisch britischer Dartspieler. Übergewichtig, kahlköpfig und auf seinen Armen ist ein ganzes Bilderbuch eintätowiert. Eine winzige Digitalkamera verschwindet fast in seinen mächtigen Pranken. In einem kaum verständlichen Englisch schwärmt er mir vor, wie toll es sei, so nahe an die Tiere heranzukommen und tolle Fotos von ihnen machen zu können. Er scheint öfters hierher zu kommen. Die Hirsche sind aber nicht die einzigen Bewohner des Parks. Im Weißen Haus residiert das irische Staatsoberhaut. Sein Nachbar ist der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika. Doch das sind die einzigen menschlichen Anwohner. Das Gelände der grünen Lunge Dublins wird auch für Open Air-Konzerte genutzt. Ein großes weißes Kreuz, das auf einem Hügel steht, erinnert an den Besuch von Papst Johannes Paul II, der hier vor 1,2 Millionen Menschen seine Messe vorlas. Ich nehme einen der letzten Rundfahrtbusse, um wieder zurück in die Stadt zu kommen.

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Abends stürze ich mich wieder in das Nachtleben von Dublin. Vorher gehe ich noch in einem Pub in Temple Bar zum Abendessen. Die irische Küche ist wesentlich besser als ihr Ruf. Es gibt nicht nur Fish and Chips, sondern auch McDonalds und Burger King… Nein, so schlimm ist es wirklich nicht! Es gibt viele Fleischgerichte, hauptsächlich Rind- oder Lammfleisch. Beliebt ist auch der irische Lachs, der sowohl pochiert, als auch gegrillt oder geräuchert serviert wird. Als zeitloser Klassiker ist das Irish Stew, ein Gemüseeintopf, bekannt. Inzwischen hat aber auch die internationale Küche, vor allem die italienische, sich in Irland ausgebreitet. Es gibt kaum eine Speisekarte, auf der man keine Nudelgerichte entdeckt. Etwas gewöhnungsbedürftigt sind allerdings die Beilagen. Zu fast jeder Speise, auch zur Pasta, werden frittierte Kartoffelstäbchen serviert. In einigen Restaurants bekommt man aber auch alternativ einen Salat dazu angeboten. Die Bewusst-Gesund-Ernähren-Bewegung macht auch vor Irland keinen Halt.

Nach dem Essen ist wieder Live-Musik angesagt. Diesmal in einem anderen Lokal. Die Musik ist gut, aber die Getränkezufuhr klappt nicht so toll. Neben mir steht am Tresen ein junges Pärchen. Da wir alle drei das Problem mit der Getränkezufuhr haben, meint die Frau zu mir: ein Pub, in dem man nichts zu trinken bekommt, ist kein gutes Pub. Ich stimme ihr zu und verlasse das Lokal. Sie ging mit ihren Begleiter kurz vorher. Ich schaue noch in einige andere Pubs rein, aber alle sind hoffnungslos überfüllt. Schließlich landete ich wieder bei dem, in dem ich am vergangenen Abend war. Dieser ist wieder gut besucht. Doch ich kann trotzdem noch ein Plätzchen für mich finden. An diesem Abend spielt eine andere Band, die bei weitem das Publikum nicht so mitreissen kann, wie die am Vorabend. Die mangelnde Stimmung und das Desinteresse scheint dem Sänger sehr zu stören. Er hält sich mit seinem Unmut darüber nicht zurück. Aber auch das interessiert niemanden. Da keine richtige Stimmung aufkommen will, verlasse ich das Pub wieder. Ich wandere noch etwas durch die Gassen von Temple Bar, lauschen einigen Straßenmusikern, überquere dann, ohne den Wegzoll zu löhnen, die Halfapenny Bridge und gehe zurück in mein Hotel.

Dublin 2 von 4

Als ich in Dublin ankomme, ist es schon spät in der Nacht und es regnet in Strömen. Mein Hotel erweist sich von aussen als ein unscheinbares georgianisches Gebäude, dem man kaum ansieht, dass es als Herberge dient, wäre neben der Eingangstür nicht ein großes Schild, das darauf hinweist. Die blaue Tür vor mir ist verschlossen. Also betätige ich den unbeschrifteten Klingelknopf. Aus der Gegensprechanlage fragt mich eine Stimme nach meiner Zimmernummer. In was für einer Gegend bin ich da nur gelandet, dass solche Massnahmen vonnöten sind? Mir wird die Tür aufgeschlossen und ich kann zur Rezeption vor, um die Anmeldeformularitäten zu erledigen. Enge, verwinkelte Gänge führen mich in den hintersten Winkel des Hauses zu meinem Zimmer. Durch die Tür komme ich nur mit Not mit meinem Koffer. Auch mein Zimmer erweist sich nicht gerade als groß. Die Einrichtung, ein Bett, ein Schrank und ein Schreibtisch mit Stuhl und Fernseher, läßt nicht mehr viel Platz. Im angrenzenden Bad ist ebenfalls nicht viel Raum zum Bewegen. Aber was will man erwarten, wenn man günstig nahe am Stadtzentrum, übernachten will? Erst später merke ich, dass mein Zimmer über kein Fenster verfügt. Ich komme mir wie in einem Kerker vor. Am nächsten Tag fällt mir auf, dass mein Zimmer doch durch natürliches Licht erhellt wird. An der Decke befindet sich ein langer schräger Schacht. Diesen hielt ich erst für die Lüftung. Dem ist nicht so. Am Ende des Schachts ist ein Fenster. Dieses Oberlicht verstärkt den Kerker-Eindruck noch. Ich erinnere mich an die Nürnberger Lochgefängnisse. Fehlen nur noch die Bratwürste, die durch das Schlüsselloch gereicht werden…

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Am nächsten Morgen geht es auf Erkundungstour. Als beste Möglichkeit die Stadt zu erkunden, erweist sich die Fahrt mit dem „Hop on Hop off“ – Bus. Man löst ein Ticket und kann dafür zwei Tage lang mit dem Bus durch die Stadt fahren. Der Bus fährt an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten vorbei, jederzeit kann man an den wichtigen Orten aus- und zusteigen und ganz nebenbei erzählt einem der Fahrer noch etwas über die Geschichte der Stadt und ihrer Sehenswürdigkeiten. Es lohnt sich, die Strecke öfters zu fahren und auch öfters mal umzusteigen. Denn jeder Busfahrer erzählt etwas anderes und rückt andere Aspekte in den Vordergrund. Unterhaltsam ist es auf jedem Fall.
An meinem ersten Tag in Dublin werde ich vom Wetter nicht gerade verwöhnt. Es scheint so, als würde es sich an mir rächen wollen. Hatten mein Bruder und ich während unserer ersten Reise tolles Wetter gehabt, konnte ich mir im Nachhinein nicht verkneifen, immer wieder auf das Vorurteil des ständigen irischen Regens hinzuweisen. Nun sollte ich diesen wohl auch erleben. Wegen des schlechten Wetters verlasse ich den Bus an meinem ersten Tag nur zwei Mal. Als erstes besuchte ich die St. Patrick Cathedral. Eigentlich ist das keine richtige Kathedrale, denn als Kathedrale zählt nur eine Kirche, in der das Pult (cathedra) des Bischofs steht. Das sucht man hier aber vergebens. Diese Kirche hatte niemals einen Bischof. Sie wurde aber Irlands Nationalheiligen, dem heiligen Patrick gewidmet, und bekam deswegen den Status einer „Nationalkathedrale“ verliehen. Auffällig sind in der Kirche die alten kunstvoll verzierten Grabmäler einflußreicher Dubliner Familien. Im Vergleich dazu eher einfach ist dagegen die letzte Ruhestätte eines Mitarbeiters dieser Kirche und berühmten Schriftstellers: Jonathan Swift fand hier seine letzte Ruhe. Sehr beeindruckt mich der Teil der Kirche, in dem sich früher der Orden des heiligen Sankt Patrick versammelte. Die Banner der Ordensmitglieder hängen an der Wand und auch ihre Helme sind zu sehen.

Die berühmteste Sehenswürdigkeit Dublins, wenn nicht sogar Irlands, ist die Guinness-Brauerei. Jenes dunkle Bier mit der weißen Schaumkrone, dem nicht nur ich sehr zugetan bin. Spricht man von Irland, so fällt den meisten Leuten nach blökenden Schafen diese Biermarke ein. Auch an dieser Brauerei hält der Bus. Ich steige allerdings nicht aus. Ich hatte die Brauerei bereits mit meinem Bruder besichtigt. Es war nichts Besonderes. In die Brauerei kam man nicht rein. Stattdessen wird man durch eine Ausstellung geführt, die die Geschichte der Firma Guinness zeigte und auch erklärt, wie Bier gebraut wird. Der Höhepunkt der Führung war das Glas Guinness, das man danach umsonst trinken kann. Beeindruckender als der Museumsbesuch ist aber die Tatsache, dass fast der komplette Stadtteil, in dem die Brauerei stand, dem Brauereibesitzer Arthur Guinness gehörte. Dort waren seine Mitarbeiter untergebracht und er kümmerte sich auch um sie und ihre Familien. So konnte einem wohl nichts bessere passieren, als bei der Firma Guinness angestellt zu sein.

Der zweite Stopp, bei dem ich den Bus verlasse, ist das Kilmainham Gaol. Das Gefängnis hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. 1795 wurde es errichtet und war bald ein beliebtes Ausflugziel für die arme Bevölkerung der irischen Hauptstadt. Wurde man dort eingeliefert, bekam man immerhin ein Bad, eine warme Mahlzeit und ein Bett für die Nacht. Verbrechen lohnte sich. Anfangs wurden die Häftlinge noch in einer großen gemeinsamen Zelle gehalten. Doch dies erwies sich als sehr ungünstig, kam es doch oft zu Streitereien und Raufereien zwischen den Gefangenen. Um dies zu vermeiden, wurden kleine Zellen gebaut und die Einzelhaft eingeführt, was den Raum einschränkte. Später verwahrte man keine gewöhnlichen Gauner hier auf, sondern politische Gefangene. Die Anführer des Osteraufstandes wurden hier ebenfalls gefangen gehalten und exekutiert. Alle, bis auf einen: Eamon De Valera. Da dieser die amerikanische Staatsbürgerschaft besass, trauten sich die Engländer nicht, ihn hinzurichten und ließen ihn wieder frei. De Valera sollte später der erste Regierungschef der Republic Of Ireland werden. Nach seiner Freilassung wurde das Kilmainham Gaol geschlossen und dient heute als Gedenkstätte für die Opfer des Osteraufstandes. Auch als Kulisse für Filme und Musikvideos hat sich das ehemalige Gefängnis bewährt.

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Es liegt am nassen Wetter, dass ich am ersten Tag nicht an mehr Orten ausgestiegen bin. Anfangs sitze ich oben auf dem offenen Deck. Doch dann empfinde ich die auf mich niederprasselnden Regentropfen doch als zu unangenehm, dass ich mir einen Platz im Inneren des Busses suche. Ich habe Glück und bekomme noch einen Fensterplatz. Das Wetter motiviert mich nicht dazu, den Bus zu verlassen, so drehe ich zwei oder drei ganze Runden mit ihm. An den Endhaltestellen wechseln die Fahrer, was auch für einen anderen Kommentator sorgt. Zwischendurch nicke ich immer wieder mal kurz ein. Durch meinen Arbeitsalltag als Pendler bin ich es gewohnt, im Bus zu schlafen. In einer meiner Wachphasen steigt eine junge blonde Russin zu. Sie setzt sich neben mich. Ich erkannte sie wieder. Ich hatte sie am Vortag schon einmal gesehen. Am Flughafen in Paris stand sie am Check-in-Schalter vor mir. Daher wusste ich auch, dass sie aus Russland war. Sie hatte eine große Schar Kinder dabei, die ständig Blödsinn machten. Heute hat sie sich derer wohl entledigt und erforscht die Stadt alleine. Sie scheint ebenfalls noch sehr müde von der Anreise zu sein. Es dauert nicht lange und sie schläft ein. Dabei legt sie ihren Kopf auf meine Schulter. Es stört mich nicht weiter, doch ich war gespannt, was passieren würde, wenn sie wieder aufwacht. Ich überlege mir, was ich ihr dann sagen sollte. Doch dazu komme ich nicht. Sie schreckt kurz auf, entschuldigt sich bei mir mit einem Sorry und bevor ich meinen mir zu recht gelegten Satz überhaupt erst anfangen kann, hat sie schon gesehen, dass die beiden Plätze vor uns leer sind. Ihre Hand greift nach der metallenen Haltestange und sie dreht sich schwungvoll auf die leeren Sitze. Kurze Zeit später ist sie wieder eingeschlafen. Ihr blondes Haupt lehnt nun an der kalten Fensterscheibe. Ein schlechter Tausch gegenüber meiner weichen, warmen Schulter. Ob sie das auch so sieht?
Als ich genug Bus gefahren bin, kehre ich ins Hotel zurück. Ich verbringe etwas Zeit in meinem kleinen Kerker. Dieser ist nun aber nicht mehr so bedrückend, wie ich ihn anfangs erst empfand. Dadurch, dass die Zimmerdecke weiss gestrichen ist, wird das Licht, das durch den Schacht fällt, stark reflektiert und es ist ganz angenehm in dem Raum. Nachdem ich mich genug ausgeruht hatte, stürze ich mich in das Nachtleben von Dublin.

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Dieses findet in dem Bereich Temple Bar statt. Dieser Bezirk heißt nicht etwa aus religiösen Gründen so, sondern weil die Familie Temple hier ihren Wohnsitz hatte. Im Laufe der Zeit wuchs die Zahl der Pubs enorm an und Temple Bar wurde zur beliebten Anlaufstelle für junge feierlustige Leute und Touristen. In den meisten der Pubs wird nachts irische Livemusik geboten. Ich beginne den Abend mit einem Essen im Hard Rock Cafe, wo ich mein Hard Rock-Lieblingsgericht bestellte: die berühmte Chicken and Ribs Combo. Ein Essen, wofür man kein Besteck braucht. Außer vielleicht für die Pommes. Danach will ich etwas Livemusik hören. Das ist nicht so einfach. Es gibt zwar sehr viele Pubs, in denen Musiker auftreten, doch, obwohl es noch nicht einmal so spät am Abend ist, sind diese schon überfüllt und es ist schwierig, dort einen angenehmen Platz oder ein Getränk zu ergattern. Ich wechsele häufiger die Lokalitäten, bis ich eine finde, in der ich einen guten Platz nahe am Tresen habe, und dadurch auch die Getränkezufuhr gewährleistet ist. Die Band, die traditionelle irische Lieder spielt, ist auch gut. Das Publikum geht sehr bei ihren Darbietungen mit. Es war ein schöner Abend.

Dublin 1 von 4

Als ich zum ersten Mal in Irland war, war ich zuerst schockiert und auch enttäuscht. Gemeinsam mit meinem Bruder war ich nach Irland gereist. Dublin entsprach so gar nicht meinem Bild von Irland. In meinem Irland regnete es pausenlos. Wegen des nie enden wollenden Regens gab es viele grüne Hügel. Über diese Hügel führten Straßen, die von Schafen vollgestopft waren. Das echte Irland sah anders aus. Die Straßen in Dublin waren zwar auch vollgestopft, aber nicht von Schafen, sondern von Menschen. Auf der Hauptstraße Dublins, der O’Connell Street, fühlte ich mich wie auf dem Nürnberger Weihnachtsmarkt an einem Wochenende. Ein dichtes Gedränge und Geschiebe. Schwierig, die andere Straßenseite zu erreichen. Die Straßen führten nicht auf grüne Hügel, sondern an graue – größtenteils aber auch an recht ansehliche – Häusern vorbei. Manche von denen hatten sogar noch Einschußlöcher im Mauerwerk, die angeblich aus der Zeit der irischen Befreiungskämpfe stammen. Was das Wetter betrifft, so entsprach es auch nicht meinen Erwartungen. In den zwei Wochen, in denen wir auf der Grünen Insel unterwegs waren, regnete es nur einmal ganz leicht an einem Vormittag. Ansonsten schien die gesamte Zeit über die Sonne. Obwohl man behauptet, dass es in Irland nur zwei schöne Tage im Jahr gäbe. Der eine Tag ist Weihnachten, der andere Tag wäre der Sommer.

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Auch wenn sich dies nun alles furchtbar negativ anhört, so war Dublin nicht schlimm. Es entsprach aber nicht meinem Bild von Irland. Trotzdem hatte die Stadt auch ihre schönen Seiten. Freundliche, nette Einwohner – sieht man mal von dem vorlauten etwa vierjährigen Mädchen ab, dem wir in einem Restaurant einer Fast Food-Kette begegneten. Als sie mit ihrem Vater und den noch jüngeren Bruder das Restaurant verließ, schmiss sie im Vorbeigehen und den Worten „This is for you, guys!“ ihr vollgerotztes Papiertaschentuch auf unserem Tisch zwischen unseren Pizzaschachteln. Erst sahen sich mein Bruder und ich uns perplex an, dann mussten wir darüber lachen.

Ein Blickfang auf Dublins Straßen waren die menschlichen Wegweiser. Meist ältere Herren oder junge Schüler, die sich nebenbei ihre Rente oder ihr Taschengeld aufbessern wollten, standen mit einem Wegweiser in der Hand oder mit einer großen Tafel um den Hals hängend da. Sie machten Werbung für ein Geschäft in der Nähe und zeigten mit ihrer Tafel oder den Wegweiser an, in welcher Richtung sich dieser Laden befand. Nur kann man unmöglich den ganzen Tag über ruhig an einem Fleck stehen. So passiert es, dass man sich hin und wieder einmal bewegt, ein paar Schritte geht, sich dreht, sich mit einem Bekannten auf der Straße unterhält. Plötzlich zeigt der Pfeil in die falsche Richtung. Womöglich noch zu einem Konkurrenzgeschäft. Unvorstellbar!

Einen solchen Wegweiser hätten wir gebraucht, als wir uns auf der Suche nach Molly Malone begaben. Misses Malone ist die Titelfigur eines Dubliners Volksliedes. In diesem Lied geht es um eine Fischhändlerin, die in jungen Jahren an einem nicht näher benannten Fieber stirbt. Doch nach ihren Ableben spukt ihr Geist weiterhin durch die Straßen der irischen Hauptstadt und bietet ihre Ware feil. Am Tag und in der Nacht. Je nach Tageszeit ändert sich die Ware. Das Lied ist die inoffizielle Hymne Dublins. Jener Molly Malone wurde ein Denkmal in der Innenstadt errichtet. Wir liefen fünf oder sechs Mal an ihr vorbei, bis wir die Statue endlich fanden. Es wäre sicher einfacher gewesen, sie zu finden, hätte sie, wie im Lied, ihre Ware angepriesen: Cockles and mussels alive a-live O!

Wir übernachteten in einem Bed-&-Breakfast-Hotel in einem Außenbezirk von Dublin. Das Zimmer bekamen wir am Flughafen von der Touristeninformation vermittelt. Auch wenn es etwas entfernt vom Stadtzentrum lag, konnten wir es bequem von der Innenstadt aus mit dem Bus erreichen. In die andere Richtung war die Verbindung natürlich auch recht gut. Wir waren so sehr mit der Unterkunft zufrieden, dass wir sie für die Rückreise erneut buchten. Hatten wir bei unserem ersten Aufenthalt nur ein Zimmer mit Doppelbett, so bekamen wir beim zweiten Besuch sogar ein kleines Apartment im Kellergeschoss zur Verfügung gestellt. Mit einem riesigen Bad, das ich morgens beim Duschen regelmäßig unter Wasser setzte. Irgendwie wollte mir nicht einleuchten, dass der Duschvorhang nicht aus dem Becken heraushängen sollte. Das brachte mir eine gehörige Standpauke meines Bruders ein, der nach mir das Bad nutzte. Morgens ließ er mir beim Waschen den Vortritt. Er konnte dadurch noch etwas länger im Bett liegen bleiben. Die Rechte des Älteren. Dafür durfte er aber auch ins überschwemmte Bad.

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Dreizehn Jahre später kehrte ich nach Irland zurück. Das Land hatte sich in der Zwischenzeit verändert. War Irland bei meinem ersten Besuch noch das Armenhaus Europas, hatte es nun einen wirtschaftlichen Höhenflug erlebt. Der Keltische Tiger erhob sich. Ausländische Firmen, hauptsächlich aus den USA, investierten in das Land, bauten dort ein europäisches Silicon Valley auf. Die einst so hohe Arbeitslosenquote sank. Iren, die ins Ausland gezogen sind, um dort Arbeit zu finden, kehrten zurück, um in ihrer Heimat Geld zu verdienen. Dazu kamen viele Einwanderer aus den Ostblockländern und aus Spanien. Das Auswandererland wurde zum Einwandererland. Doch durch die niedrigen Steuersätze floss nicht viel Geld ins Land, sondern mehr ins Ausland zu den Investoren. Dies und der Zusammenbruch der lange Zeit florierenden Immobilienwirtschaft liess den Keltischen Tiger wieder zusammensinken. Irland war wieder dabei sich zurück zu entwickeln zu einem der inzwischen zahlreichen Armenhäuser in Europa. Gerade durch diesen Bauboom hatte sich Dublin verändert. Manche neue Gebäude waren entstanden, bei anderen wurde der Bau unter- bzw. abgebrochen. Ich war gespannt auf das neue Dublin.

Where do you go now?

Zufällig hörte ich vor Kurzem von G’n’R das Lied „Sweet Child Of Mine“ und es kam eine Zeile vor, die mich derzeit auch beschäftigt: Where do you go now? Die Planungen für den Herbsturlaub laufen, aber ich kann mich noch nicht richtig entscheiden wohin es gehen soll. In der Verlosung sind Istanbul und Stockholm.

Für Stockholm spricht, dass es mal was Neues wäre. Eine Stadt, die schön ist und ich noch nicht kenne. Dagegen spricht das nicht so tolle Wetter dort. Außerdem soll es dort nicht ganz so preiswert sein.

Istanbul hingegen wäre preiswert. Auch das Wetter ist im Herbst mit großer Wahrscheinlichkeit sehr angenehm. Ich war zwar schon mehrmals dort, aber die Stadt schläft nicht und bietet bei jedem Besuch etwas Neues.

Zum Glück muss ich mich nicht gleich entscheiden…

Bilder aus Istanbul

Natürlich habe ich bei meiner Istanbulreise auch einige Fotos gemacht. Nicht so viele wie bei meiner ersten Reise. Denn irgendwie habe ich festgestellt, dass ich genau die selben Sachen wieder fotografierte 😉
Eine kleine Auswahl meiner Bilder findet man hier. Auch die Fotos meiner ersten Reise kann man sich online betrachten.

Hotelsuche

Wenn es dunkel wird in Istanbul, die Sonne im Bosporus versinkt, dann wird es Zeit für ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Zumindest für mich. Ich breche auf, verlasse das Lokal, wo ich zu Abend ass und mache mich auf dem Weg. Bis zur Hagia Sophia ist es kein Problem, doch sobald ich das Museum hinter mir gelassen habe, wird es spannend. Ich buchte ein Hotel in Sultanahmed. Zentrale Lage im touristischsten Viertel der Stadt. Sollte also kein Problem sein, dorthin zu finden. Dachte ich. Doch die Straßen sind so sehr verwinkelt, manche Gassen so klein und unbedeutend, dass sie nicht mal auf dem Stadtplan erscheinen, dass der Weg zurück ins Hotel jeden Abend ein kleines Abenteuer ist. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich meine Unterkunft vor mir versteckt. Unterwegs komme ich an zahlreiche Läden und Restaurants vorbei. Nein, ich möchte diesen Teppich nicht kaufen. – Ihr Hotel kenne ich nicht, aber ich kann Ihnen zwei Lampen verkaufen. Nein, danke. Kein Interesse! – Nein, ich möchte nicht in Ihr Restaurant. Ich habe eben erst gegessen. – Konversationen dieser Art vertreiben mir unterwegs die Zeit. Irgendwann habe ich es dann doch geschafft, finde mein Hotel und werde vom Portier freundlich begrüßt. Er drückt mir meine Zimmerschlüssel in die Hand und ich kann mich von meinem allabendlichen Abenteuer auf meinem Zimmer ausruhen. (Ab den sechsten Tag gelang es mir endlich den Weg ohne Umwege zu finden!)

Mantı

Gestern bekam ich eine E-Mail-Anfrage zu dem türkischen Raviolli (laut Wikipedia eher Tortellini), Mantı. Gefüllt werden die Teigtaschen mit Rinder- oder Lammhackfleisch, Zwiebeln, Knoblauch, Pinienkerne und Minze. Serviert werden diese dann mit einer Sauce aus Joghurt, Knoblauch und Minze. Darüber wird eine zweite warme Sauce aus Öl mit scharfen Paprikapulver geschüttet. Wer das nachmachen möchte, findet hier ein Rezept dazu. Afiyet olsun (Guten Appetit)!